Mit Bildung für eine faire Mobilität: Bartosz Marosz kümmert sich um polnische Kolleg*innen, die in Deutschland arbeiten. Denn nur wer Bescheid weiß, kann seine Rechte wahrnehmen.
Die Geschichte von Bartosz Marosz und der IG Metall begann in einem Labor in Mecklenburg-Vorpommern. Der Pole arbeitete hier in der Prozesskontrolle. Sein Arbeitgeber hatte entschieden, die Endfertigung an einen Subunternehmer zu geben und der wollte dafür vor allem polnische Mitarbeitende mit schlechten Verträgen und unterhalb des Mindestlohns anstellen. Ein Kollege brachte einige von ihnen in Bartosz Labor: »Erklär denen mal, dass das schlechte Verträge sind«. Das tat Bartosz. Und informierte sie auch gleich noch darüber, wie das deutsche Gewerkschaftssystem ihnen dabei helfen könnte, sich dagegen zu wehren. Und so organisierten sich die Kolleg*innen.
Bartosz, der selber 2011 mit seiner Familie von Polen nach Deutschland zog und hier zunächst als Leiharbeiter in einer Eisengießerei in Ueckermünde arbeitete, engagierte sich fortan für die IG Metall, baute immer wieder Brücken in die polnische Community. Und die ist groß – besonders im Norden: »Allein in Rostock leben 20.000 polnische Bürger*innen, in Bremen und in Hamburg jeweils um die 40.000«, ordnet Bartosz die Dimension ein. Dazu die vielen Tages- und Wochenpendler*innen – in Mecklenburg-Vorpommern rund 15.000. Denn es gibt viele Unternehmen, die sich gezielt an der polnischen Grenze ansiedeln, um polnische Arbeitskräfte anzulocken. »Es gibt Betriebe, da besteht die Belegschaft zu 80 Prozent aus Pol*innen«, sagt Bartosz.
Die wissen in der Regel nicht, wie Gewerkschaften in Deutschland funktionieren, welche Rechte sie als Arbeitnehmer*innen haben. Damit faire Mobilität nicht an Sprachbarrieren scheitert oder daran, dass die Kolleg*innen ihre Rechte nicht kennen und sie deshalb nicht einfordern, setzt die IG Metall auf landessprachliche Ansprache. Und so bekam Bartosz vor vier Jahren die Chance, hauptberuflicher Brückenbauer zu werden, arbeitete zunächst bei dem gewerkschaftsnahen Verein »Dau Wat«. Gerade macht er ein einjähriges Trainee-Programm zum Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall.
Er ist so etwas wie der Außenbeauftragte der IG Metall für polnische Arbeitskräfte in Deutschland. Dabei kommen die üblichen Instrumente gewerkschaftlicher Ansprache zum Einsatz: Social Media, Seminare, Filme, Flyer, Beratungsangebote in den Betrieben und überbetrieblich – alles auf Polnisch. In einem Film erklärt Bartosz beispielsweise auf Polnisch die IG Metall, es gibt Flyer und Mitgliedsanträge auf Polnisch und seine Facebook-Gruppe von in Deutschland arbeitenden Pol*innen hat inzwischen über 2000 Mitglieder. Seit 2022 sind Seminare auf Polnisch auch Teil des Bildungsprogramms der IG Metall.
Bartosz wird innerhalb der Gewerkschaft auch überregional als Unterstützer gerufen. So wie beispielsweise bei Maas Aviation: Bei dem Flugzeug-Lackierer auf dem Airbus-Gelände auf Hamburg Finkenwerder arbeiten »rund 98 Prozent polnische Beschäftigte«, erzählt Bartosz. Zwar gelte auf dem Airbus-Gelände eigentlich der IG Metall-Grundsatz, dass alle, die dort arbeiteten,Betriebsräte wählen können und tarifvertraglich abgesichert seien, »aber die IG Metall ist an die Kolleg*innen nicht rangekommen. Da gab es die Sprachbarriere, außerdem durften die Vertrauensleute und Betriebsräte von Airbus nicht mal in die Hallen«, erzählt Bartosz.
Bartosz erfuhr von dem Problem und wandte sich direkt an die Kolleg*innen: »Ich habe ihnen erklärt, wie das mit Gewerkschaften in Deutschland funktioniert und warum das wichtig für sie ist«. Ein langes Telefonat, ein Online-Treffen und schließlich ein Besuch auf Finkenwerder. »Jetzt haben die den ersten polnischsprachigen Betriebsrat in Deutschland gewählt. Und alle sind Metaller«, erzählt Bartosz stolz. Nun soll es natürlich auch ein Betriebsräte-Seminar auf Polnisch geben.
Immer wieder baut Bartosz solche Brücken und ist froh, dass »meine eigene Geschichte ein Vorbild sein kann«. Und er ist angekommen. »In den Betrieben, in denen ich früher gearbeitet habe, war ich immer ›der Pole‹. Jetzt, bei der IG Metall bin ich für alle der Bartosz«.