Tarifpolitische Bildungs-«Offensive« klingt sehr gewichtig. Ralf, Was steckt hinter so einem »großen“ Namen?
Ja, wir denken hier groß, weil der Bedarf groß ist. Im Rahmen des Projekts „IG Metall vom Betrieb aus denken“ haben die Aktiven zurückgemeldet, dass sie insbesondere bei den Tarifkompetenzen – z.B. ERA und Entgelt, aber auch Arbeitszeit – mehr Wissen benötigen, um mehr Sicherheit für ihre Aufgaben im Betrieb zu haben. Hinzu kommt, dass wir vor einem umfassenden Generationenwechsel stehen, wo alte Tarifexpertinnen und -experten in den verdienten Ruhestand gehen.
Und es ist ja auch einfach so: Eine schlechte Eingruppierung kostet langfristig mehr als eine gute Tarifrunde wieder einbringt. Da müssen wir als Gewerkschaft in den Betrieben kompetent bleiben. Deshalb ist es unser Ziel, dass möglichst viele mit diesem Projekt in Berührung kommen. Wir wollen in etwa 1.400 Betrieben mehr als 5.000 Kolleginnen und Kollegen erreichen, die dann in ihre Mannschaft hineinwirken können.


Das Projekt läuft bereits seit 2024. Kann man schon erste Erfolge verbuchen?
Ja, im Rahmen des Projekts verbinden wir unsere Bildungsangebote direkt mit der Praxis im Betrieb. Die Beschäftigten sollen spüren, dass die IG Metall im Betrieb die relevante Akteurin ist, wenn es um Entgelt oder Arbeitszeitfragen geht. Bei Rheinmetall in Kassel wurde das mit deutlichen Mitgliedergewinnen goutiert. Bei Körber Pharma Packaging in Bielefeld oder dem Betrieb Weitkowitz in Peine wurde in solchen Prozessen Tarifbindungen erkämpft. In Baden-Württemberg hat sich durch die Projektaktivitäten die Zahl der Entgeltarbeitskreise von 8 auf 18 mehr als verdoppelt.
Und in allen Befragungen geben die Teilnehmenden an, erhebliche Kompetenzsprünge gemacht zu haben. Wir werden kompetenter, verbessern gleichzeitig die Arbeitsbedingungen im Betrieb, gewinnen neue Mitglieder und werden dadurch wirkmächtiger.
Was will das Projekt insgesamt leisten?
Unser Ziel ist es die Bildung möglichst nah an die betriebliche Wirklichkeit zu bringen. Nicht das Lehrbuch, sondern die Praxis bestimmt bei der IG Metall den Lehrplan. Deswegen wollen wir auch ein Ort des Kulturwandels sein, wo man sich mal ausprobieren kann. Die Regelarbeit der IG Metall muss die verschiedenen Spezialdisziplinen – also Tarif, Erschließung, Bildung, Transformation und so weiter – mehr in ganzheitlichen Prozessen verzahnen, die bedarfsgerecht auf die Betriebe zugeschnitten sind. Das klingt kompliziert und ist erstmal auch herausfordernd. Aber es zeigt sich: nach ein paar Gehversuchen, bei denen man natürlich auch mal scheitern darf, fängt dieses Prinzip an zu funktionieren. Ein Beispiel: In Detmold ist nach Durchführung der ersten Projektreihe die Nachfrage explodiert. 18 Betriebe haben sich gemeldet, um Teil von weiteren Reihen zu werden. Und das alles, ohne unseren regulären Bildungsangeboten das Wasser abzugraben.
Wie kann ich da mitmachen?
Das Projekt läuft noch bis Juni 2027. Bis dahin stehen zusätzliche Ressourcen bereit. In jedem Bezirk gibt es eine Ansprechperson für das Projekt. Für die Branchen Textil sowie Holz und Kunststoff stehen bundesweit zwei weitere Ansprechpersonen zur Verfügung. Wenn ihr tarifpolitisch im Betrieb einen Schritt nach vorne machen wollt, kommt auf uns zu, und wir erarbeiten mit euch ein passgenaues Bildungsangebot. Besonders wichtig: Denkt die Großchancen mit! Wir können in den Modulreihen auch BR-Wahlen und Tarifrunden wirksam begleiten.